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100 JAHRE WALTERSCHEID – EINE MARKE, DIE VERBINDET

Mitarbeiter posieren voller Stolz mit einem Zahnkranz auf dem Werksgelände.
Traktoren wie der weit verbrei- tete Lanz Bulli erleichtern ab den 1950er Jahren die Arbeit – bei der Heuernte und vielen weiteren Aufgaben.
Der Durchbruch: Bei der Fach- messe der DLG 1953 zeigt Walterscheid erstmals seine innovativen Gelenkwellen und erregt großes Aufsehen.
Vor Ort und nah bei der Anwendung: Mit seiner mobilen Messtechnik im VW Bulli unterstützt Walterscheid die Landwirte.
Krones Stalldungstreuer Optimat – angetrieben von einer Walterscheid-Gelenkwelle
Berthold Kurscheidt (2. von links), später Geschäftsführer, spricht mit Mitarbeitern in der Fertigung.

Zu neuen Ufern –
Ära Bernhard Walterscheid-Müller

1952–1978

Weichenstellungen

Bernhard Walterscheid-Müller, langjähriger Geschäftsführer und Adoptivsohn von Jean Walterscheid, bildet ab 1952 mit dem Ingenieur Kurt Schröter ein erfolgreiches Team. Es erschließt ein neues Geschäftsfeld: Mit Gelenkwellen mit einer innovativen Schutzeinrichtung gelingt der Einstieg in die Landtechnik. Als Teil des GKN-Konzerns entwickelt Walterscheid die Gelenkwellen stetig weiter und bringt wegweisende Produkte wie das Walterscheid-Kuppel-System (WKS) auf den Markt.

Zahnkränze sind ab 1950 das neue Produkt der Walterscheid- Fertigung. Mitarbeiter posieren voller Stolz mit einem Zahnkranz auf dem Werksgelände.
Zahnkränze sind ab 1950 das neue Produkt der Walterscheid- Fertigung. Mitarbeiter posieren voller Stolz mit einem Zahnkranz auf dem Werksgelände.

Zahnkränze sind ab 1950 das neue Produkt der Walterscheid-Fertigung. Mitarbeiter posieren voller Stolz mit einem Zahnkranz auf dem Werksgelände.

Mit der Währungsreform und der Einführung der D-Mark am 21. Juni 1948 enden Tauschhandel und Improvisation, das wirtschaftliche Leben kommt schnell wieder in Gang. Auch Walterscheid produziert wieder mehr, statt sich nur mit Reparaturen und kleinen Aufträgen über Wasser zu halten. Es geht aufwärts: Große Kunden wie der Maschinenhersteller Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) bekommen ihre Achswellen regelmäßig von Walterscheid.

Bernhard Müller will die Produktion nun ausweiten und braucht Platz für ein größeres Werk. Er findet ein Grundstück in seinem Heimatort Lohmar, das gute Voraussetzungen bietet. Südwestlich vom Ortskern gelegen, besteht hier ein Zugang zur Hauptverkehrsstraße und zur A3 Köln–Wiesbaden. Auch einen Anschluss zur (heute nicht mehr vorhandenen) Bahnlinie gibt es. Im Januar 1949 pachtet Walterscheid das 15.000 Quadratmeter große Areal und beantragt den Bau „einer ausgedehnten Industriehalle“. Die Gemeinde Lohmar begrüßt die Pläne, sie sieht „darin eine wirksame Förderung des wirtschaftlichen Lebens in der Gemeinde“.

Müller erweitert auch die Produktpalette, um nicht von einem Produkt abhängig zu sein. Neben Achswellen werden ab 1950 zusätzlich Anlasser-Zahnkränze gefertigt – das sogenannte AZ-Programm. Während Jean Walterscheid sich aus gesundheitlichen Gründen zurückzieht, übernimmt Bernhard Müller mehr Verantwortung und bewährt sich an der Spitze des Unternehmens. Die Mitarbeiter sind beeindruckt, „wie energisch, umsichtig und unermüdlich dieser junge Mann die ihm gestellten Aufgaben anpackte“. Er habe vor allem „ein untrügliches Gefühl für zukünftige Möglichkeiten“. Der kinderlose Jean Walterscheid beschließt, seinen Prokuristen und Geschäftsführer zu adoptieren und ihn damit zum Firmenerben zu machen. Am 1. August 1952 lädt er die gesamte Belegschaft mit Angehörigen, insgesamt fast 200 Menschen, in das Werk am Mühlengraben ein. Ein langjähriger Mitarbeiter spielt Geige und es gibt ein Unterhaltungsprogramm, bevor Jean Walterscheid eine Ansprache hält. „Wir spürten instinktiv, dass sich hier ein Akt vollzogen hatte, der die Sicherheit unserer Arbeitsplätze und die Zukunft des Unternehmens garantierte“, berichtet ein Teilnehmer. Walterscheid erklärt Bernhard Müller zum Mitinhaber, der Geschäftsführer trägt nun den Namen Bernhard Walterscheid-Müller.

Bei einer Feier mit Mitarbeitern gibt Jean Walterscheid (links) 1952 bekannt, dass er Bernhard Müller (2. von links) adoptiert und zum Unternehmensnachfolger macht.

Bei einer Feier mit Mitarbeitern gibt Jean Walterscheid (links) 1952 bekannt, dass er Bernhard Müller (2. von links) adoptiert und zum Unternehmensnachfolger macht.

„Nun singt doch mal“ – die Geschichte des Werkchores

Vielstimmig: Der Werkchor nimmt in den 1980er Jahren eigene Schallplatten auf.

Jean Walterscheid bleibt auch als erfolgreicher Unternehmer eine rheinische Frohnatur, die Geburts- und Namenstage gern im Betrieb feiert. „Nun singt doch mal“, fordert er dann die Gäste auf. So entsteht die Idee für einen Werkchor. Walterscheids Schwager Karl Buchholz gründet ihn, Peter Neuhalfen wird erster Dirigent. Am 24. Mai 1946, Jean Walterscheids 54. Geburtstag, tritt der Chor erstmals auf. Bald singt der Werkchor nicht nur bei Veranstaltungen des Unternehmens, sondern gibt auch öffentliche Konzerte. Nachdem die Aktivitäten des Chores Ende der 1960er Jahre einschlafen, belebt ihn der Personalleiter Ulf Clodius 1978 neu und überzeugt dafür den langjährigen Chorsänger Heinrich Herchenbach. Als Dirigent wird Karl-Josef Kappes gewonnen, dazu bildet sich ein Vorstand. Der Chor tritt jetzt unter anderem mit der Sopranistin Margaret Price und dem Tenor John Lapierre auf, 1981 und 1985 nimmt er sogar jeweils eine Platte auf. Ein Höhepunkt ist das Jubiläumskonzert in der Hennefer „Meys Fabrik“ im Oktober 1996. 2003 löst sich der Chor nach dem Tod des langjährigen Dirigenten Karl-Josef Kappes wegen Nachwuchsmangels auf.

Einstieg in die Landtechnik

Die Landwirtschaft profitiert in den frühen 1950er Jahren von hohen Preisen für ihre Produkte und investiert – insbesondere in die Mechanisierung. Diese Entwicklung kann Walterscheid nutzen. Im Herbst 1952 kommt der Ingenieur Kurt Schröter ins Unternehmen und bildet ein perfektes Duo mit Bernhard Walterscheid-Müller. „Ein genialer Konstrukteur und ein visionärer Unternehmer sind zusammengekommen“, schwärmen Weggefährten noch Jahrzehnte später. Die beiden Männer beobachten die Landwirtschaft genau und sehen, wie sich Traktoren und Landmaschinen verbreiten. Sie entwickeln gemeinsam die Idee, mit Walterscheid in diesen Markt einzusteigen.

Landmaschinen benötigen Gelenkwellen, doch die Anforderungen der Landmaschinenhersteller unterscheiden sich von denen anderer Walterscheid-Kunden. In Kraftfahrzeugen und vielen weiteren Maschinen sind die Gelenkwellen fest verbaut und nur gering abgewinkelt, hier werden kompakte Gelenke mit kurzen Gabelschenkeln eingesetzt. Anders in der Landwirtschaft: Geräte werden häufig an- und abgekuppelt und mit großen Abwinkelungen betrieben – vor allem bei Kurvenfahrten und auf engen Feldern. Viele Landmaschinenhersteller produzieren ihre Gelenkwellen bisher selbst, Walterscheid repariert manche und kennt ihre Schwächen. Es gibt viele Varianten, Reparaturen sind schwierig und Ersatzteile Mangelware. Häufig kommt es zu gefährlichen Unfällen, weil Gelenkwellen zwischen Maschine und Traktor ohne Schutzeinrichtung frei zugänglich sind. Zudem fehlen Überlastkupplungen, die eine Überlastung der Maschinen verhindern. Walterscheid ist überzeugt, ein besseres Produkt anbieten zu können. Mit einer von Kurt Schröter konstruierten Spezial-Gelenkwelle wagt das Unternehmen den Einstieg in die Landtechnik.

Mechanisierung der Landwirtschaft

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein ist die Landwirtschaft vor allem auf die Arbeitskraft von Mensch und Tier angewiesen. Mit dem Aufkommen der Melkmaschine in den 1920er Jahren beginnt die Technisierung. Bald erfasst sie auch die Feldarbeit: Größere Betriebe setzen motorbetriebene Schlepper ein, deren Zahl sich bis 1939 auf etwa 30.000 erhöht. Besonders gravierend sind die Veränderungen in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: Zwischen 1950 und 1965 werden mehr als eine Million Pferde durch 800.000 Schlepper ersetzt. Die Landmaschinenindustrie gewinnt an Bedeutung, denn neben einer Reihe von Schlepperherstellern erwirtschaften Hersteller von Mähdreschern und Maschinen zur Bodenbearbeitung enorme Umsätze. Der Wandel ist unübersehbar. Arbeitskräfte strömen in die Industrie, die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen halbiert sich bis Mitte der 1960er Jahre bis auf gut 2 Millionen. Ihre Arbeit übernehmen nun zum großen Teil Maschinen aller Art.

Die Landmaschinen entwickeln sich unterdessen von reinen Zugmaschinen zur Antriebsquelle. Die US-amerikanische Firma McCormick bringt zum Beispiel einen Mähbinder auf den Markt, der die Getreidehalme zu Bündeln (Garben) zusammenbindet. Angetrieben wird die Maschine vom Traktor über eine Zapfwelle. Diese neue Form des Antriebs nutzen bald darauf weitere Landmaschinenhersteller. Durch den Zapfwellenantrieb entstehen sogar neue Maschinen, wie die Hochdruck-Ballenpresse für Heu und Stroh.

Traktoren wie der weit verbrei- tete Lanz Bulli erleichtern ab den 1950er Jahren die Arbeit – bei der Heuernte und vielen weiteren Aufgaben.

Traktoren wie der weit verbreitete Lanz Bulli erleichtern ab den 1950er Jahren die Arbeit – bei der Heuernte und vielen weiteren Aufgaben.

Kurt Schröter bringt Walterscheid mit seinen Konstruktionen für die Landtechnik entscheidend voran.

Kurt Schröter bringt Walterscheid mit seinen Konstruktionen für die Landtechnik entscheidend voran.

Jean Walterscheid (links) und Bernhard Walterscheid-Müller haben in den 1950er Jahren Gründe zum Feiern und nutzen sie.

Jean Walterscheid (links) und Bernhard Walterscheid-Müller haben in den 1950er Jahren Gründe zum Feiern und nutzen sie.

Walterscheid findet mit seiner Schutzeinrichtung eine Lösung für die Unfallgefahr bei Gelenkwellen.

Walterscheid findet mit seiner Schutzeinrichtung eine Lösung für die Unfallgefahr bei Gelenkwellen.

Überzeugung durch Qualität

Als Walterscheid bei der Fachmesse der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Köln 1953 seine neue Gelenkwellen-Baureihe präsentiert, ist dies eine kleine Sensation. Erstmals tritt ein Spezialist für Antriebstechnik in der Landwirtschaft auf. Die Vorstellung der Gelenkwellen für Landmaschinen ist zugleich ein Wagnis. Walterscheid hat zwar zunächst keine Konkurrenten, weil es keine spezialisierten Hersteller gibt. Aber noch fehlen auch Abnehmer. Es gilt jetzt, Landmaschinenhersteller zu überzeugen, die eigene Fertigung aufzugeben und beim Zulieferer zu kaufen. Entscheidend ist dafür die hohe Qualität der Walterscheid-Gelenkwelle. Sie eignet sich für eine breite Palette von Landmaschinen, wie zum Beispiel Vorratsroder, Spritzen oder Stalldungstreuer.

Walterscheid-Gelenkwellen haben einige Vorzüge, vor allem den weltweit ersten Gelenkwellen-Schutz. Zudem haben die Gelenkwellen integrierte Überlastkupplungen, die Traktor- und Maschinenschäden verhindern, wenn die Landmaschine blockiert oder überlastet wird. Walterscheid bietet maßgeschneiderte Lösungen für unterschiedliche Maschinen. In Hochdruckpressen oder Kreiselmähwerken etwa laufen die großen Drehmassen nach dem Abschalten nach, sodass die Gelenkwelle mitrotiert und blockieren kann. Freilaufkupplungen, die das Drehmoment nur in einer Richtung übertragen, verhindern diese gefährliche Situation.

Innovativ ist der Schiebestift-Schnellverschluss, der komfortables Kuppeln ermöglicht. Neu sind auch die teleskopierbaren Profilrohre. Mit ihnen lassen sich die Abstände zwischen Traktoren und Maschinen vergrößern und anpassen. Durch die Profilierung wird zudem sichergestellt, dass die beiden Gelenkwellenhälften nur um 180 Grad versetzt zusammengeschoben werden können und somit immer die richtige Gabelstellung gewährleistet ist. Eine falsche Montage ist dadurch ausgeschlossen. Im Einsatz überzeugt das Profil durch geringe Vibrationen und dank großer Anlageflächen durch geringe Verschiebekräfte und geringen Verschleiß.

Walterscheids Gelenkwellen bewähren sich, wie hier bei einer Sämaschine von Amazone, und überzeugen vor allem durch ihre Sicherheit.

Walterscheids Gelenkwellen bewähren sich, wie hier bei einer Sämaschine von Amazone, und überzeugen vor allem durch ihre Sicherheit.

Walterscheids Gelenkwellen bewähren sich, wie hier bei einer Sämaschine von Amazone, und überzeugen vor allem durch ihre Sicherheit.

Wachstum mit Wellen

Mit dem Kauf des Achswellenherstellers Vernimb verstärkt sich Walterscheid 1953 um einen zusätzlichen Produktionsstandort.

1953 kauft Walterscheid den Achswellen-Hersteller Max Vernimb aus Kiel und steigt in den Export ein, denn Vernimb ist vor allem international erfolgreich. Im Jahr darauf wird das Unternehmen zu einer Kommanditgesellschaft. Neben Jean Walterscheid und Bernhard Walterscheid-Müller beteiligen sich Kurt Schröter und zwei weitere Kommanditisten. Walterscheid beginnt mit der Serienproduktion der Landwirtschaftlichen Gelenkwelle (LGW) und wächst damit rasch. Zu den Kunden der ersten Stunde gehört das Landmaschinenwerk Zweibrücken der Heinrich Lanz AG, die später von John Deere übernommen wird. Im Kartoffelroder von Lanz dreht sich 1954 die erste in Serie gefertigte Walterscheid-Gelenkwelle. Auch Spritzen des Herstellers Holder und Stalldungstreuer der Marke Standard arbeiten bereits 1955 mit Walterscheid-Gelenkwellen.

Das LGW-Programm läuft so gut, dass es auf der ersten Etage der alten Hansenmühle zu eng wird. Selbst eine 1954 noch am Siegburger Mühlengraben errichtete 2.000 Quadratmeter große Halle schafft nur kurzfristig Abhilfe. Doch Bernhard Walterscheid-Müller hat vorgesorgt und das zunächst gepachtete Grundstück in Lohmar mittlerweile gekauft. Auf etwa 4.000 Quadratmetern entsteht hier eine Montagehalle.

Walterscheid richtet außerdem überregionale Kundendienststellen zur Beratung von Landwirten ein, auch im Ausland entstehen Vertretungen. Mit diesen Anlaufstellen vor Ort versorgt Walterscheid die Landwirte mit Ersatzteilen und erfährt viel über die Anforderungen in der Praxis. So gewinnt das Unternehmen einen guten Eindruck von den Entwicklungen in der Landtechnik und stellt sich mit seinen Produkten darauf ein. 1955 beschäftigt Walterscheid 400 Mitarbeiter, der Jahresumsatz steigt zum ersten Mal auf über eine Million Mark.

Walterscheid bewirbt sich 1953 – direkt nach der Entscheidung für die Landtechnik – beim VDMA, der bis heute größten Organisation des europäischen Maschinenbaus.
In Lohmar baut Walterscheid Ende der 1950er Jahre erste Hallen – der Umzug von Sieg- burg nach Lohmar beginnt.
In Lohmar baut Walterscheid Ende der 1950er Jahre erste Hallen – der Umzug von Sieg- burg nach Lohmar beginnt.

In Lohmar baut Walterscheid Ende der 1950er Jahre erste Hallen – der Umzug von Siegburg nach Lohmar beginnt.

Dr. Bernard Krone, Seniorchef der Krone Group und langjähriger Geschäftspartner von Walterscheid

Dr. Bernard Krone, Seniorchef der Krone Group und langjähriger Geschäftspartner von Walterscheid

Krone: „Ein strategischer Partner, auf den wir uns hundertprozentig verlassen können“

Die 1906 gegründete Maschinenfabrik Bernard Krone aus Spelle ist heute ein weltweit agierender Landtechnikhersteller für Grünlandtechnik. Bernard Krone aus der dritten Generation des Familienunternehmens hört während seines Maschinenbau-Studiums das erste Mal von Walterscheid. Er erinnert sich, wie „unter dem Stichwort Arbeitsschutz immer wieder der Sicherheitsaspekt der Walterscheid-Gelenkwelle erwähnt wurde: die erste vollgeschützte Gelenkwelle. Das hat im Laufe der Jahrzehnte sicherlich viele schwere Unfälle verhindert.“ Zur Zusammenarbeit kommt es erstmals beim Stalldungstreuer Optimat, den Krone 1957 auf den Markt bringt. Auch der 1963 eingeführte Alleslader zum Be- und Entladen von Gras, Stroh, Heu und Silage arbeitet mit Walterscheid-Gelenkwellen. In einer jahrzehntelangen Kooperation entwickeln Krone und Walterscheid Komponenten für Maschinen. Obwohl Bernard Krone „angesichts der Preise doch das ein oder andere Mal schlucken“ muss, überzeugt ihn die „hervorragende“ Qualität. Sie gelte auch für die Ersatzteilversorgung und den Service. Sein Fazit nach sechs Jahrzehnten der Zusammenarbeit: „Walterscheid ist ein wichtiger strategischer Partner und Systemlieferant, auf den wir uns hundertprozentig verlassen können.“

Krones Stalldungstreuer Opti- mat – angetrieben von einer Walterscheid-Gelenkwelle

Krones Stalldungstreuer Optimat – angetrieben von einer Walterscheid-Gelenkwelle

Qualität, Vertrauen, Kooperation

Vor Ort und nah bei der Anwendung: Mit seiner mobilen Messtechnik im VW Bulli unterstützt Walterscheid die Landwirte.

Mit dem Weitwinkelgelenk bietet Walterscheid eine praktikable Lösung für Kurven und enge Räume.

Mit dem Weitwinkelgelenk bietet Walterscheid eine praktikable Lösung für Kurven und enge Räume.

Was funktioniert gut, was kann noch verbessert werden? Um Anregungen aus der Landwirtschaft umzusetzen und zu erproben, richtet Walterscheid 1955 die Versuchsabteilung ein, kurz „der Versuch“ genannt. Sie entwickelt Ideen und Konzepte, die mit wichtigen Abnehmern diskutiert und optimiert werden. Der regelmäßige Austausch erhöht die Qualität und schafft Vertrauen. Bereits nach einigen Jahren gelingen Walterscheid entscheidende Verbesserungen, zum Beispiel für ein generelles Problem von Gelenkwellen: Sie übertragen die Drehbewegung in Kurven ungleichförmig. Es kommt zu starken Schwingungen und die Abnutzung ist hoch. Schäden an Maschinen und Gelenkwelle sind die Folge. Kurt Schröter konstruiert daher ein Gelenk für große Abwinkelungen. Das außengesteuerte Doppelgelenk erlaubt eine Leistungsübertragung bis 75 Grad. Es wird unter anderem in Triebachshängern und gezogenen Mähdreschern eingesetzt, die in den 1950er Jahren noch weit verbreitet sind.

In dieser Zeit steigen die Anforderungen an Überlastkupplungen. In den schallgeschützten Traktorkabinen hört der Fahrer eine Maschinenstörung kaum noch. Deshalb entwickelt Walterscheid Kupplungen, die automatisch abschalten sowie bei Drehzahlreduzierung oder Unterbrechung automatisch wieder einschalten. Diese Kupplungsautomaten vom Typ K60 finden zum Beispiel bei Feldhäckslern breite Anwendung.

Serviceausbau und Internationalisierung

Als Walterscheid im Frühjahr 1956 das erste Technische Handbuch für die Praxis mit ausführlichen Produkt- und Anwendungsbeschreibungen veröffentlicht, enthält der Katalog 106 Gelenkwellen. Dieses breite Sortiment produziert Walterscheid ab 1957 in einer neuen Halle in Lohmar. Daneben arbeitet das Unternehmen weiter an Innovationen, immer in Abstimmung mit Maschinenherstellern und Anwendern. Da die Leistungsangaben der Landmaschinenhersteller häufig unpräzise sind, richtet Walterscheid zum Beispiel 1958 den Drehmoment-Messservice ein. Der Versuch nimmt sich immer wieder Probleme vor, die entstehen, wenn Gelenkwellen nicht optimal zu Maschinen und Traktoren passen. Gelenkwellen müssen reibungslos funktionieren und die Kraft übertragen. Es ist daher wichtig, dass auch die Überlastkupplungen auf das Gespann abgestimmt sind. Walterscheid beginnt, den Leistungsbedarf von Maschinen zusammen mit den Kunden direkt auf dem Feld zu ermitteln. Davon profitieren beide Seiten: Erprobungszeiten werden kürzer, das Risiko von Fehlfunktionen und Reklamationen sinkt.

Walterscheids Erfolg weckt Interesse, zwei europäische Wettbewerber würden das Unternehmen gern kaufen: die bereits miteinander verbundenen Glaenzer Spicer (Frankreich) und Hardy Spicer aus Großbritannien. Doch Bernhard Walterscheid-Müller hat andere Pläne und überzeugt die Spicer-Gruppe von einer Kooperation. Gemeinsam gründen sie 1958 nationale Vertriebsgesellschaften für Gelenkwellen: die Hardy Spicer Walterscheid Ltd. in Birmingham und die Glaenzer Walterscheid in Poissy (bei Paris). Walterscheid selbst verlagert sich immer mehr nach Lohmar. Im September 1959 bezieht die Verwaltung hier ein modernes neues Gebäude, in eine zweite Maschinenhalle (Halle 2) zieht die Achswellen-Fertigung ein. Lohmar ist nun offizieller Unternehmenssitz.

Neue Geschäftsfelder

1958 wendet sich Walterscheid einem neuen Geschäftsfeld zu und kauft die Stuttgarter Firma Arnold Mohr, die hydraulische Rohrverschraubungen herstellt. Sie werden in Bau- und Forstmaschinen, im Schiffsbau und in der Lebensmittelindustrie verwendet. Auch für Landmaschinen wie Mähdrescher oder Feldhäcksler werden Rohrverschraubungen benötigt. Die Verschraubung besteht aus einem Körper, einer Überwurfmutter und einem Fließring. Das Rohr wird durch den Ring in der Verschraubung befestigt und abgedichtet.

Bernhard Walterscheid-Müller entwickelt das Produkt weiter, führt Druckprüfungen durch und erklärt das Verbindungssystem für „enttäuschend schlecht“. Seine Lösung: Er ersetzt den Fließring durch einen Doppelkeilring und meldet die neue Konstruktion als Walterscheid-Rohrverschraubung zum Patent an. Walterscheid bietet sie ab 1960 an, der neue Verkaufsleiter Leo Schwertje und sein Team stellen sie im April auf der Industriemesse in Hannover vor. Zu den wichtigsten Kunden zählen vor allem Baumaschinen-Hersteller und Werften, wie die AG Weser und Bremer Vulkan. Schnell steigt der Jahresumsatz des neuen Standbeins auf eine Million Mark. Angesichts eines Gesamtumsatzes von 50 Millionen Mark im Jahr 1961 ist dies allerdings nur ein kleines Geschäftsfeld.

Walterscheid widmet sich mit seinen knapp 1.000 Mitarbeitern vor allem der Landtechnik. Schröter nutzt seine Kontakte zum Fachbereich Landmaschinentechnik der Fachhochschule Köln, um gut ausgebildetes Personal zu gewinnen. Bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) 1963 führt sein Team Gespräche mit Traktoren- und Getriebeherstellern und nimmt Ideen für eine Doppelkupplung mit. Sie soll Fahr- und Zapfwellengetriebe mit jeweils einer Kupplung verbinden. Mit der Doppelkupplung gewinnt Walterscheid weitere Traktoren-Hersteller als Kunden, die bisher bereits Achswellen abnehmen. Dazu gehören Steyr, Schlüter und Kramer Lamborghini. Die Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik verleiht Kurt Schröter 1962 ihre in der Branche hoch angesehene Gedenkmünze, unter anderem für die Konstruktion dieser Kupplungen und der Gelenkwellen.

Eine Rohrverschraubung in neuer Konstruktion verschafft Walterscheid ein zusätzliches Geschäftsfeld.

Eine Rohrverschraubung in neuer Konstruktion verschafft Walterscheid ein zusätzliches Geschäftsfeld.

Gemeinsam stark: Uni-Cardan®

Nach dem erfolgreichen Einstieg in die Landtechnik sucht Bernhard Walterscheid-Müller neue Absatzmärkte und baut auch eine Produktion außerhalb Deutschlands auf. 1963 gründen Walterscheid und sein Partnerunternehmen Hardy Spicer, das kurz darauf Teil der englischen Birfield-Gruppe wird, ein Werk im italienischen Bruneck. Birfield-Trasmissioni, das Werk in Südtirol, startet in einer strukturschwachen Region und entwickelt sich bald sehr positiv.

Die guten Erfahrungen mit der Spicer-Gruppe bewegen Walterscheid-Müller zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er regt einen Zusammenschluss von sechs Gelenkwellenherstellern aus vier Ländern an. Neben Walterscheid sind es Gelenkwellenbau aus Essen und Löhr & Bromkamp aus Offenbach sowie das soeben gegründete Schmiede- und Presswerk in Trier. Weitere Partner sind Birfield-Trasmissioni in Italien, Glaenzer Spicer in Frankreich und die Birfield-Gruppe. 1964 gründen sie gemeinsam die Aktiengesellschaft Uni-Cardan.

Der Zusammenschluss ist finanziell stark und ermöglicht den Austausch von Know-how, da alle Hersteller eigene Schwerpunkte haben. Vertrieb und Service können sie gemeinsam leichter organisieren. Bernhard Walterscheid-Müller bleibt Geschäftsführer von Walterscheid und wird Vorstandsvorsitzender der Uni-Cardan, die ihre Verwaltung auf dem Walterscheid-Gelände in Lohmar einrichtet. Den Namen Uni-Cardan prägt Kurt Schröter – nach Gerolamo Cardano, dem Erfinder der Kardanwellen. Die Walterscheid-Anteile, unter anderem von Kurt Schröter, der Familie Walterscheid und Bernhard Walterscheid-Müller, werden in Uni-Cardan-Aktien umgetauscht. Dadurch ist Walterscheid nun eine Tochter der Uni-Cardan und hat erstmals Mitinhaber von außen. Der wichtigste davon ist die Birfield-Gruppe mit knapp 40 Prozent an Uni-Cardan.

Ein europäischer Zusammenschluss: Die Uni-Cardan AG vereint Werke aus mehreren Ländern.

Ein europäischer Zusammenschluss: Die Uni-Cardan AG vereint Werke aus mehreren Ländern.

Bauarbeiten vor alpenländischer Kulisse: In Bruneck in Südtirol entsteht 1963 Birfield-Trasmis- sioni, das Werk von Walterscheid und seinem Partnerunternehmen Birfield.
Bauarbeiten vor alpenländischer Kulisse: In Bruneck in Südtirol entsteht 1963 Birfield-Trasmis- sioni, das Werk von Walterscheid und seinem Partnerunternehmen Birfield.

Bauarbeiten vor alpenländischer Kulisse: In Bruneck in Südtirol entsteht 1963 Birfield-Trasmissioni, das Werk von Walterscheid und seinem Partnerunternehmen Birfield.

Mitarbeiter über Generationen

Arbeitskräfte aus Portugal werden in den 1960er Jahren herzlich aufgenommen und bleiben mit ihren Familien, oft über Generationen hinweg.

Auf dem Höhepunkt des „Wirtschaftswunders“ zu Beginn der 1960er Jahre herrscht Vollbeschäftigung, es fehlt qualifiziertes Personal. Auch Walterscheid hat Mühe, Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. Das Unternehmen bietet daher einiges: Ab 1958 genießen Mitarbeiter nach zehn Jahren einen Kündigungsschutz, der über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht. Mit der Zahlung eines Weihnachtsgeldes gehört Walterscheid 1964 zu den Vorreitern. Viele Mitarbeiter beziehen Werkswohnungen oder verbringen ihren Urlaub in Werkserholungsheimen. Zeitweise können sie sogar auf dem Werksgelände kostenlos tanken. Walterscheid ist bekannt für sein hohes Niveau an Sozialleistungen.

In der Region ist Walterscheid ein beliebter Arbeitgeber, doch der Bedarf an Arbeitskräften lässt sich dort nicht mehr decken. Wie andere Unternehmen wirbt das Unternehmen daher sogenannte Gastarbeiter an und geht dabei ungewöhnliche Wege. Der spätere Geschäftsführer Berthold Kurscheidt nimmt über die Ordensgemeinschaft der Steyler Mission in Sankt Augustin Kontakt zu kirchlichen Kreisen in Portugal auf. So kommen die ersten Familien (u.a. Matos und da Silva) nach Siegburg und Lohmar. Die ursprünglich als Gäste angeworbenen Arbeitskräfte bleiben oft in der Region, später arbeiten viele Kinder und Enkel ebenfalls bei Walterscheid. Die Verbindung insbesondere zur portugiesischen Stadt Vila Verde ist sehr eng, es besteht bis heute eine Städtepartnerschaft mit Lohmar.

Berthold Kurscheidt (2. von links), später Geschäftsführer, spricht mit Mitarbeitern in der Fertigung.

Berthold Kurscheidt (2. von links), später Geschäftsführer, spricht mit Mitarbeitern in der Fertigung.

Erweiterungen und Innovationen

Bis 1970 ist das Werk Lohmar beeindruckend gewachsen: Die Verwaltung ist fünfgeschossig ausgebaut, vorne rechts die Shedhalle mit Lehrwerkstatt, dahinter das Heizkraftwerk mit Schornstein.

Im Jahr der Uni-Cardan-Gründung 1964 baut Walterscheid nahe der Autobahn in Lohmar eine Halle für den Vorrichtungsbau, die Entwicklungsabteilung, die Lehrwerkstatt und das Messelager. Dazu kommt eine Kranbahnhalle. Der in Siegburg frei gewordene Platz wird für die Rohrverschraubungen genutzt, der alte Standort am Mühlengraben dient als Lager. 1965 entstehen in Lohmar ein weiteres Verwaltungsgebäude mit Versandhalle sowie ein Heizkraftwerk mit markantem Schornstein. Es sind Jahre des Bauens, Umziehens und Umstrukturierens. Im Rückblick fragt sich ein langjähriger Mitarbeiter: „Wann haben wir mal nicht gebaut?“

Mitte der 1960er Jahre beschäftigt Walterscheid 1.400 Mitarbeiter, der Jahresumsatz beträgt 83 Millionen Mark. Die AZ-Fertigung wird 1966 in das Werk nach Kiel (ehemals Max Vernimb) verlagert. Im gleichen Jahr übernimmt die britische Maschinenbaugruppe Guest, Keen & Nettlefolds (GKN) die Birfield. So bekommt GKN auch deren Anteile an der Uni-Cardan und dadurch wiederum an der Jean Walterscheid KG.

Walterscheid weitet in Lohmar seine Aktivitäten in der Landtechnik aus. Um sich als Entwicklungspartner zu etablieren, wird die Versuchsabteilung ausgebaut und es werden neue Prüfstände mit moderner Messtechnik eingerichtet. Dort werden beispielsweise Innovationen bei den Gelenkwellen anwendungsspezifisch getestet. Denn die Anforderungen unterscheiden sich je nach den Maschinen, die mit den Wellen betrieben werden.

Das im Mai 1966 auf der DLG in Frankfurt vorgestellte 70-Grad-Weitwinkel-Gelenk löst ein verbreitetes Problem: Zunehmend werden seitlich des Schleppers arbeitende Ladewagen eingesetzt, für die sich gängige Gelenkwellen nicht eignen. Das neue Weitwinkel-Gelenk überträgt die Drehbewegung dagegen unter voller Last bis zu einem Winkel von 70 Grad in Kurven. Das bietet den Konstrukteuren von Landmaschinen neue Möglichkeiten.

Eine Neuerung für Automobile mit Frontantrieb bringt das 1967 vorgestellte CV-Gelenk. Da die Drehbewegung bei Kurvenfahrten ungleichmäßig ist, entstehen Schwingungen, die mit aufwändigen Sonderbauformen aufgefangen werden. Die CV-Technik schafft Abhilfe durch gleich bleibende Geschwindigkeit (Constant Velocity). Die Gleichlaufgelenke übertragen die Drehbewegungen gleichförmig und schwingungsfrei. Walterscheid liefert sie unter anderem an Volkswagen, Porsche, Lancia, Peugeot und Renault.

Entscheidung für die Zukunft

Walterscheid erlebt Jahre enormen Wachstums und beschäftigt inzwischen mehr als 2.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Umsatz von rund 140 Millionen Mark, 1967 wird bereits die fünfmillionste Gelenkwelle ausgeliefert. 1969 erweitert Walterscheid den Verwaltungsbau in Lohmar und investiert auch in das Werk in Kiel. Die Lehrwerkstatt in der Shedhalle nimmt ebenfalls ihren Betrieb auf.

Die Entwicklung von Uni-Cardan insgesamt verläuft ähnlich positiv wie die von Walterscheid. Der GKN-Vorstandsvorsitzende Raymond Brookes ist allerdings unzufrieden mit der schwachen Position von GKN innerhalb des Zusammenschlusses. Mit der Beteiligung von 38,8 Prozent ist der unternehmerische Einfluss gering, Brookes strebt nach der Aktienmehrheit. 1971 nutzt er eine gemeinsame Tour zu den Uni-Cardan-Standorten, um Walterscheid-Müller zum Verkauf zu bewegen. Im eigens gecharterten Privatjet ist es eng, Brookes setzt den Uni-Cardan-Gründer und -Vorsitzenden unter Druck. GKN werde auf jeden Fall in den europäischen Gelenkwellen-Markt einsteigen und dabei zur Not auch mit Uni-Cardan und der eigenen Minderheitsbeteiligung konkurrieren. Damit es dazu nicht kommt, schlägt er eine Zusammenarbeit mit dem starken Partner GKN vor.

Das Angebot ist verlockend, denn nach Jahren starken Wachstums stößt Walterscheid tatsächlich an finanzielle Grenzen und braucht Kapital für Investitionen. Doch Walterscheid-Müller bittet noch um eine Nacht Bedenkzeit, als er das Angebot während der Reise erhält. Als der Rückflug sich verzögert, machen Brookes und Walterscheid-Müller einen Spaziergang über eine stillgelegte Landebahn. Hier teilt Walterscheid-Müller seine Entscheidung mit: Er wird GKN die Mehrheit an der Uni-Cardan überlassen.

Gelenkwellen sind Walterscheids Hauptprodukt und in einer breiten Fülle erhältlich.

Gelenkwellen sind Walterscheids Hauptprodukt und in einer breiten Fülle erhältlich.

Neue Zeiten

Als GKN 1971 seinen Anteil an der Uni-Cardan auf 58,7 Prozent erhöht, wird Uni-Cardan zu einem Tochterunternehmen des britischen Konzerns. Da Uni-Cardan Komplementär von Walterscheid ist, gehört nun auch Walterscheid zu GKN. Die Jean Walterscheid KG wird 1972 gemeinsam mit dem Schmiede- & Presswerk Trier in eine Kapitalgesellschaft (GmbH) umgewandelt. Bernhard Walterscheid-Müller übernimmt den Vorsitz im Aufsichtsrat der neuen Jean Walterscheid GmbH, in die Geschäftsführung rückt neben Berthold Kurscheidt jetzt Helmut Hochstatter auf.

Zu den ersten Folgen der neuen Eigentumsverhältnisse gehört die Trennung vom Geschäft mit Doppelkupplungen, denn GKN vertreibt selbst mit der Firma Laycock solche Produkte. Im Übrigen sind die Walterscheider zuversichtlich, als Teil von GKN ihre Stärke in der Landtechnik ausbauen zu können.

1972 ist auch ein Jahr der Trauer: Jean Walterscheid, der Gründer und Lenker des Unternehmens in den ersten Jahrzehnten, stirbt am 1. Oktober im Alter von 80 Jahren. Im Jahr darauf verstirbt Kurt Schröter. Wegen eines Herzleidens hatte er die Position als Chefkonstrukteur bereits vor einigen Jahren aufgegeben, war aber noch beratend tätig.

Die Übernahme durch GKN fällt zusammen mit dem Ende des Nachkriegsbooms. Die erste Ölpreiskrise von 1973 führt vielen Menschen vor Augen, dass die Zeiten scheinbar unbegrenzten Wachstums enden. Auch bei Walterscheid fehlen Aufträge für die stark gewachsene Belegschaft, sodass Personal abgebaut werden muss. 1973 schickt die Geschäftsleitung Mitarbeiter in Kurzarbeit.

Bahnbrechende Produkte

Neugierig erwartet von Journalisten und Landwirten: Bei der DLG 1974 präsentiert Walterscheid das neuartige Walterscheid-Kuppel-System (WKS) in der praktischen Anwendung.

In der Entwicklung von Produkten geht es weiter voran. Für die Rohrverschraubungen konstruiert Walterscheid eine DIN-gerechte Verschraubung, um einen größeren Kundenkreis anzusprechen. Weil die Grundelemente austauschbar sind, ist die neue Verschraubung auch mit dem bestehenden System kompatibel, sodass Kunden sich nicht umstellen müssen. Als Walterscheid diese Rohrverschraubungen mit DIN-gerechten Schneid- und Keilringen ab 1973 anbietet, werden dafür auch Kunden aus der Landtechnik gewonnen. Grimme, Krone oder KHD kaufen neben Gelenkwellen oder Überlastkupplungen nun auch Rohrverschraubungen bei Walterscheid.

Bei der unermüdlichen Arbeit an Lösungen für die Landtechnik widmet sich Walterscheid insbesondere der Sicherheit. Denn trotz verbessertem Gelenkwellenschutz kommt es beim An- und Abkuppeln von Maschinen immer wieder zu schweren Unfällen. Komfortabler und sicherer wäre ein System, das das Kuppeln vom Schleppersitz aus ermöglicht. Dies wird erstmals möglich mit dem Walterscheid-Kuppel-System (WKS), das 1974 auf der DLG in Frankfurt vorgestellt wird. Kernelement von WKS ist der Hakenkuppler für den Traktoren-Anbau. Nach der Markteinführung von WKS 1974 präsentiert Walterscheid im Jahr danach einen verbesserten Dreipunktkuppler unter dem Markennamen Walterscheid-Zweiphasenkuppler.

Die Neuerung ist heute nicht mehr aus der Landtechnik wegzudenken, stößt aber damals auf Skepsis. Aus Kostengründen zögern Traktorenhersteller, das neue Kuppel-System anzubringen. Doch Walterscheid lässt sich nicht beirren und überzeugt die Landwirte direkt vom Nutzen des Systems. Techniker fahren über die Dörfer und schweißen den Haken – das zentrale Element des neuen Systems – vor Ort an die Traktoren. Der Erfolg ist durchschlagend: In der praktischen Anwendung sind die Vorteile unübersehbar. Nun üben die Landwirte Druck auf die Hersteller aus, das neue System als Standardlösung an die Maschinen anzubringen. Der Nutzen für den Anwender ist entscheidend für den Erfolg der Walterscheid-Produkte – dies zeigt sich erneut deutlich.

Bei den Gelenkwellen ist Walterscheid weiter besonders erfolgreich und stellt 1974 in der Produktion einen Rekord auf: 1,1 Millionen Gelenkwellen in einem Jahr! Mit Claas kann in diesem Jahr zudem ein Branchenriese als Kunde auch in Deutschland gewonnen werden. Bereits seit einigen Jahren hat Claas einen Teil seiner Markant-Pressen in Algerien gefertigt und hier Walterscheid-Gelenkwellen eingebaut. Nun entscheidet sich der Landmaschinenhersteller, die Gelenkwellen für die Markant-Pressen aus Harsewinkel ebenfalls zuzukaufen.

Walterscheid sucht jetzt auch das außereuropäische Geschäft und gründet 1976 in Burr Ridge, Illinois (in der Nähe von Chicago), die Niederlassung USA.

Zusammenhalt hat bei Walterscheid einen hohen Wert – am Arbeitsplatz, wie hier in der Lohmarer Schmiede, und nach Feierabend, wie beim gemeinsamen Kegelabend.
Zusammenhalt hat bei Walterscheid einen hohen Wert – am Arbeitsplatz, wie hier in der Lohmarer Schmiede, und nach Feierabend, wie beim gemeinsamen Kegelabend.

Zusammenhalt hat bei Walterscheid einen hohen Wert – am Arbeitsplatz, wie hier in der Lohmarer Schmiede, und nach Feierabend, wie beim gemeinsamen Kegelabend.

Cathrina Claas-Mühlhäuser, Aufsichtsratsvorsitzende der Claas Gruppe, eines langjährigen Partners von Walterscheid

Cathrina Claas-Mühlhäuser
Aufsichtsratsvorsitzende der Claas Gruppe, eines langjährigen Partners von Walterscheid

Claas: „Die Zusammenarbeit hat immer hervorragend funktioniert“

Claas, das 1913 gegründete Familienunternehmen mit Hauptsitz im ostwestfälischen Harsewinkel, gehört zu den Markt- und Technologieführern in der Erntetechnik. Heute ist Cathrina Claas-Mühlhäuser aus der dritten Generation Aufsichtsratsvorsitzende der Claas-Gruppe. Sie sieht Ähnlichkeiten zu Walterscheid. Beide sind als kleiner regionaler Betrieb entstanden und zum Global Player gewachsen, beide schätzen Verlässlichkeit und Qualität.

Dabei beginnt die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit relativ spät, denn lange legt Claas Wert auf Unabhängigkeit und verlässt sich auf die eigene technische Kompetenz. Das ändert sich in den 1960er Jahren, als das Unternehmen stark wächst und mehr als die Hälfte des bundesdeutschen Gesamtumsatzes an Mähdreschern erwirtschaftet. „Wenn man in große Stückzahlen kommt, kann man das irgendwann nicht mehr durchhalten.“ Seit den frühen 1970ern verbaut Claas Walterscheid-Gelenkwellen in Mähdreschern und Erntemaschinen. Der Anteil von Walterscheid-Gelenkwellen liegt heute bei etwa 50 Prozent. Cathrina Claas-Mühlhäuser betont, wie wichtig die Einkaufsentscheidung ist: „Antriebskomponenten machen 15 bis 20 Prozent der Gesamtkosten aus.“ Die Erfahrung spreche für Walterscheid: „Hier gab es nie Probleme, die Zusammenarbeit hat immer hervorragend funktioniert.“

Im Claas Jaguar F6 aus den 1970er Jahren waren Walterscheid- Wellen verbaut.

Im Claas Jaguar F6 aus den 1970er Jahren waren Walterscheid-Wellen verbaut.